Par Avion

Sechs Monate vor "Highlander: Endgame" – Mitte Juni 2002

Die Touristen um ihn herum schnappten nach Luft und brachen in Schweiß aus, dass man zuschauen konnte. Methos jedoch nahm den Klimawechsel gelassen hin. Der Flughafen war angenehm gekühlt, während die schwülwarme Luft die Ankömmlinge schon einen Schritt nach den automatisch aufgleitenden Türen überfiel. Und dabei war es hier gerade früher Morgen. "Wartet bis zum Mittag", murmelte der Unsterbliche sarkastisch und warf im Licht der aufgehenden Sonne einen Blick auf die Silhouette der Stadt. Leicht verwundert schüttelte Methos den Kopf. "Wie die Pilze", meinte er zu sich und drängte alte Erinnerungen an eine kleine Minenstadt zurück, in der man die dreistöckigen Häuser an zwei Händen abzählen konnte. Ob es den Tee-Laden im Daran-Viertel wohl noch gab?

"Mister! Brauchen Sie ein Taxi? Soll ich Sie zu einem Hotel fahren?" wurden seine Gedanken unterbrochen. Methos starrte gelassen den chinesischen Taxifahrer an, der ihm so überaus hilfsbereit seine Dienste anbot.

"Kein Hotel", antwortete er. "Aber Sie können mich fahren. Ich habe ein Geschäft zu erledigen."

Der Mann wollte Methos' Koffer in den Kofferraum des Taxis packen, aber Methos beschloss, ihn lieber bei sich zu behalten. Dabei bangte er nicht um einen Stapel T-Shirts, sondern um sein Schwert, das tatsächlich den einzigen Inhalt des Koffers darstellte. Die Alibi-Reisetasche mit den üblichen Utensilien eines Reisenden hatte er am Flughafen hinterlegt, er brauchte sie nur, um beim Check-in nicht von vornherein als möglicher Terrorist eingestuft zu werden. Die Zeit nach den 9/11-Attentaten hatte das Fliegen für Unsterbliche wirklich nicht einfach gemacht, jedenfalls wenn sie am Zielort nicht auf ihr Schwert verzichten wollten.

Methos stieg in das Taxi, welches daraufhin langsam den Taxi-Stand vor dem Flughafen verließ und gen Stadt rollte. "Bleiben Sie länger in KL?" fragte der Fahrer. Methos sah aus dem Fenster auf die näherkommenden Wolkenkratzer und die dazwischen fast verschwindend klein wirkenden Häuser. Doch vor seinem geistigen Auge sah er die Wolkenkratzer Tokios an sich vorbeiziehen, die Hochhäuser Seacouvers oder die Skyline von Melbourne. "Nein", antwortete er. "Nein, ich bleibe nicht lange." Der Reiz des Neuen war schon lange verflogen.

***

Zehn Tage vorher

Methos erwachte blinzelnd und gähnte herzhaft. Die Sonne schien ihm durch das große Fenster genau ins Gesicht, er hatte noch keine Vorhänge angebracht. Er stand auf, streckte sich und marschierte hinüber in die Küche, beziehungsweise in den Raum, der bald seine Küche sein würde. Momentan enthielt er nur einen alten Tisch mit zwei Stühlen und einen Kühlschrank, der in einer Ecke des Raumes auf dem Fußboden stand. Methos öffnete den Kühlschrank und warf einen Blick auf den recht einseitigen Inhalt. Er zögerte einen Moment, doch dann entschied er, dass es so schlimm noch nicht um ihn stand, um sein Bier schon zum Frühstück zu trinken. Ob die Briten endlich gelernt hatten, ordentlichen Kaffee zuzubereiten? Nun, das würde sich gleich herausstellen, am Ende der Straße gab es einen Coffeeshop. Methos verließ die Küche und zog sich an. Es war ziemlich warm draußen, aber um ein Kurzschwert unterbringen zu können, konnte er auf eine leichte Jacke nicht verzichten.

Als er die Tür seiner neu erworbenen Villa öffnete, kroch etwas in den Lichtkegel seiner Aufmerksamkeit, was schon seit seinem Erwachen in seinem Hinterkopf herumgelungert hatte. War er nicht vom Schrillen eines Weckers aufgewacht? Obwohl er gar keinen Wecker besaß?! Der beim Öffnen der Tür sprunghaft angestiegene Geräuschpegel lieferte ihm die Erklärung dafür, genau wie für das leise Hintergrundgemurmel, dass er die ganze Zeit unbewusst im Ohr gehabt hatte. Methos schloss die Tür und stieg die breite, steinerne Treppe einige Stufen hinab. Er starrte in den Park, der direkt hinter seinem Grundstück begann, und dessen Anwesenheit einer der Gründe gewesen war, wieso sich Methos gerade für dieses Haus entschieden hatte. Keine neugierigen Augen direkt gegenüber.

Dafür sah er nun auf der gegenüberliegenden Seite des Parks etwas anderes: Das unscheinbare Gebäude dort entpuppte sich als eine Schule. Und der unscheinbare Platz davor als der Schulhof! Methos war sich selber nicht so sicher, ob er nun belustigt oder verärgert sein sollte. In erster Linie war er verblüfft. Sicher, er hatte das Haus ausgiebig besichtigt, bevor er es gekauft hatte. An einem Sonntag!

Nun wurden der Platz und der halbe Park davor von einer herumwuselnden Menge Kinder bevölkert. Es überraschte Methos immer wieder, wie laut Kinder sein konnten, wenn ihre Anzahl einmal eine gewisse kritische Masse überschritten hatte...

Ein Rascheln und dann ein krachendes Geräusch ließen ihn seine Aufmerksamkeit wieder seinem eigenen Grundstück zuwenden. Er stieg die letzten Stufen hinab und sah zu seiner Rechten auf der kleinen Mauer, die den Bogengang an der westlichen Hausseite begrenzte, drei Jungen sitzen. Zwei von ihnen rauchten und der dritte zog mit großer Freude am Efeu, der sich die Hauswand empor schlängelte und diese nur widerwillig loslassen wollte. Methos' Stimmung schlug nun doch in Richtung belustigt um, als er beschloss, ein Exempel zu statuieren. Betont lässig schlenderte er zu ihnen herüber.

"Hi!" Die drei schauten überrascht auf, fast ein wenig alarmiert. Wie alt mochten sie sein? Zehn? Methos lächelte. Genauer gesagt setzte er ein verhaltenes und hintergründiges Grinsen auf und starrte die Jungs einfach nur an. Nach einigen Sekunden wurden sie unruhig. "Ähm... Wohnen Sie hier, Mister?" fragte einer der drei.

"Ja", antwortete Methos immer noch lächelnd. Dann beugte er sich etwas näher und flüsterte ihnen zu als wäre es ein Geheimnis: "Ich gehe jetzt einen Kaffee trinken. Ich geh mal davon aus, dass ich euch hier nie wieder sehen werde." Er nickte ihnen übertrieben freundlich zu, dann drehte er sich um und ging Richtung Gartentor. "Vergesst die Kippen nicht", rief er ihnen noch zu, ohne sich dabei umzudrehen. Diesmal war sein Grinsen echt.

Methos' Haus

Eine Woche war vergangen und Methos war unzufrieden. Dieses Gefühl der alles durchdringenden Langeweile war zurückgekehrt, schneller als er es gedacht hätte. Sicher, er hatte das Haus einzurichten, viele Reparaturen zu machen. Nebenbei arbeitete er an einem Buch und belas sich im Internet oft stundenlang über die unmöglichsten Sachen. Doch der Umzug nach London hatte nicht die Frische gebracht, die er sich erhofft hatte. Er hatte natürlich die lokalen Unsterblichen durchgecheckt. Ein Drink in Duncan MacLeods neuer Behausung, ein interessanter Abend mit Kyra und ein halbes Dutzend markierte Orte auf seinem geistigen Stadtplan, um die er besser einen Bogen machen würde. Doch war es nicht immer das gleiche Procedere, wenn er in eine neue Stadt kam? Ein Haus, die Einrichtung, lokale Unsterbliche, alte Freunde, alte Feinde... Methos nahm den Weg durch den Park, er hatte es nicht eilig. Die Bücherregale, die er gerade gekauft hatte, würden erst am Nachmittag geliefert werden. Der Schulhof war erstaunlich ruhig, es war wohl gerade Unterricht. Aber selbst über den allmorgendlichen Kinderlärm konnte Methos sich nicht mehr aufregen.

Doch die Langeweile trat automatisch in den Hintergrund, als er sich seinem Haus näherte und das Gartentor angelehnt vorfand. Als er an diesem Morgen aufgebrochen war, hatte er das Tor geschlossen. Methos spürte keinen Unsterblichen, aber das wollte nicht viel heißen. Wachsamkeit war ein Wesenszug, der ihm in Fleisch und Blut übergegangen war, und so betrat er sein Grundstück vorsichtig, sich nach allen Seiten umsehend. Er bewegte sich leise und unauffällig, ging einmal um das ganze Haus, bemerkte jedoch nichts Verdächtiges. Hatten sich die Jungs wieder zum Rauchen hergeschlichen? Methos entspannte sich etwas und stieg die Vordertreppe hoch, als er ein leises Schluchzen vernahm. Er hielt kurz inne, orientierte sich und sah dann zu seiner Rechten durch die Brüstung hindurch ein kleines Paar Füße. Als er am Ende der Treppe angelangt war, zeigte sich, dass die Füße einem Mädchen gehörten, dunkelhaarig und nicht älter als die Jungs von letzter Woche. Sie saß an die Wand neben der Tür gelehnt und hatte ihn gehört, denn sie starrte ihn erschrocken an und versuchte hastig, sich ein paar Tränen abzuwischen.

Methos musterte sie und überlegte, was er sagen sollte, entschied sich dann aber für ein freundliches "Hallo".

"Ich... Es tut mir leid, ich wollte nicht... Ich dachte, Cliff und die anderen hätten sich das nur ausgedacht", sprudelte es aus ihr hervor. Und immer noch starrte sie ihn an.

Methos zog die Jacke mit dem unbequemen Schwert aus und legte sie auf der steinernen Brüstung ab, dann ließ er sich im Schneidersitz ihr gegenüber nieder.

"Schon gut", meinte er und dachte: 'Was mache ich hier? Ich zerstöre gerade eine junge, blühende urban legend. Ich bin nett zu ihr.' Aber das Mädchen wirkte, als könnte es ein paar aufmunternde Worte gebrauchen.

"Ich bin Adam", stellte er sich vor und fügte hinzu: "Und was findest du eigentlich an meinem Briefkasten so interessant?" Methos hatte ihn gestern abgeschraubt, weil noch der Name des Vorbesitzers dran stand und er den Kasten sowieso hässlich jenseits jeder Toleranzgrenze fand. Er hatte ihn oben auf der Treppe liegen lassen, doch jetzt fand er sich in den Händen seines jungen Gegenübers wieder.

Das Mädchen schluckte, und Methos fügte freundlich hinzu: "Fang mit deinem Namen an!"

"Elizabeth", antwortete sie. Sie stellte den Briefkasten vorsichtig neben sich an die Wand und sagte leise: "Ich warte auf Post."

"In meinem Briefkasten?" fragte Methos, doch dann erinnerte er sich an etwas. "Warte, Elizabeth Guillory – das bist du?" Dieser Name hatte an dem Briefkasten gestanden, als Methos eingezogen war. Er hatte sich noch über die geschwungene Schönschrift gewundert.

Das Mädchen nickte. "Ich dachte, es stört doch niemanden, weil hier doch so lange keiner mehr gewohnt hat."

"Clever", meinte Methos. "Wer schreibt dir denn? Ein geheimer Verehrer?"

Sie schüttelte den Kopf, aber blieb still. Erst nach langen Sekunden des Schweigens sagte sie: "Er hat versprochen, mir eine Karte zu schreiben. Er war im Urlaub und er weiß ganz genau, dass ich Briefmarken sammele." Und sie sagte das in einem Tonfall, der Methos ahnen ließ, dass sie keine große Hoffnung auf die Ankunft dieser Karte mehr hatte.

"Und wieso schreibt dir dieser Jemand nicht nach Hause? Du hast doch ein Zuhause, oder?"

"Ja", entgegnete sie widerwillig. "Aber meine Eltern sind geschieden, und meine Mutter zerreißt alle Post, die von ihm kommt."

Methos nickte verstehend. "Also hast du diesen leerstehenden Briefkasten gehijacked."

"Mein Vater war in Kuala Lumpur", erklärte sie ihm. "Das ist in Malaysia, in Asien. Er hat da im März Urlaub gemacht, aber es ist keine Karte gekommen. Und er weiß doch genau, dass ich noch keine Briefmarken aus Asien habe."

"Du könntest welche in einem Briefmarken-Laden kaufen", warf Methos ein. "Ich bin gerade vorhin an mindestens zweien vorbeigekommen."

"Das ist doch nicht das gleiche!" Sie schüttelte den Kopf. "Ich sammele nicht irgendwelche Briefmarken, nur welche die wirklich abgeschickt wurden. Ich hab alle meine Marken von echten Briefen, von überall her. Sogar welche aus Griechenland, von meiner Brieffreundin. Aber noch keine von so weit her wie Asien." Und das Funkeln, das in ihren Augen kurz aufgeglommen hatte, verschwand wieder.

In diesem Moment klingelte auf der anderen Seite des kleinen Parks die Schulklingel und binnen Sekunden hob ein fröhliches Stimmengewirr den Geräuschpegel an. Elizabeth ergriff ihre Tasche und erhob sich hastig. "Ich muss los. Tut mir leid wegen des Briefkastens." Sie ging vorsichtig an ihm vorbei und ließ ihn dabei nicht aus den Augen, dann lief sie schnell die Treppe hinunter. Methos erhob sich und rief ihr nach: "Hey!"

Sie drehte sich um. "Ja?"

"Wenn ich mal in Kuala Lumpur bin, schreib ich dir."

Sie sah ihn kurz an, meinte dann aber nur gleichgültig "Sicher!" und lief Richtung Gartentor davon.

***

Methos schlängelte sich zusammen mit seinem Koffer durch die Masse der Radfahrer und Touristen zu seinem wartenden Taxi.

"Ah, da sind Sie ja wieder", begrüßte ihn der Taxifahrer und legte seine Zeitung weg. "Wohin geht's jetzt? Wollen Sie zu den Petronas-Towers? So eine Aussicht haben Sie noch nie gesehen!"

Methos lockte das nicht wirklich. Auch die Petronas-Towers konnten sich nicht mit dem Blick von den Bergen Tibets messen. Außerdem hatte er die Zwillingstürme gerade eben erst gesehen, wenn auch stark verkleinert.

"Zum Flughafen, bitte", meinte er lapidar zum Fahrer. Dieser hielt einen Moment inne, schien zu überlegen, ob er das gerade wirklich gehört habe. "Aber Mister!" wandte er ein und drehte sich zu Methos um. "Sie sind doch erst vor einer Stunde in Kuala Lumpur gelandet!"

"Ich weiß."

"Sagten Sie nicht, Sie hätten ein wichtiges Geschäft vor sich?"

"Habe ich gerade erledigt."

Der Taxifahrer warf einen ungläubigen Blick aus dem Fenster auf das Gebäude, vor dem er parkte. "Auf der Post?"

"Ich habe jemandem versprochen zu schreiben. Mein Rückflug geht in zwei Stunden... Könnten wir dann bitte?"

Und als draußen wieder die Großstadt vorbeizog, lächelte Methos bei dem Gedanken an zwei funkelnde Augen...

***
Briefmarke

"Elizabeth! Warte doch mal kurz!" Sie blieb stehen und drehte sich zu ihrer Lehrerin um. 'Was ist denn nun noch?' dachte sie. Die fünfte Stunde war rum, und wenn sie sich jetzt nicht beeilte, konnte sie ewig für ihr Mittagessen anstehen.

"Ja, Mrs. Fisher?" fragte sie ungeduldig.

"Ich hab da was für dich. Ist heute Morgen im Sekretariat angekommen, jemand hat es an die Schule adressiert." Und sie reichte ihr eine Postkarte. Während Mrs. Fisher ihre Sachen zusammenräumte und den Raum verließ, starrte Elizabeth auf die Postkarte in ihrer Hand.

Die Vorderseite zierte das Motiv einer azurblauen See mit einer gewagten Skyline dahinter. Doch Elizabeth interessierte sich mehr für die Rückseite, für die Briefmarke und den Text. Sie las in nicht ganz leicht zu entziffernder Handschrift: "Hey Liz! Echt genug?! Grüße, Adam"

Minutenlang stand sie noch in dem leeren Klassenzimmer und schaute ungläubig auf die Postkarte.



(c) by Johannes Freudendahl     https://ammaletu.de

Anmerkungen:

Die Story spielt im Highlander-Universum.

Diese Story basiert auf einem Zitat im Script von "Highlander: Endgame" (Version vom Sept. 1999). In Methos' erster Szene meint er zu Duncan auf die Frage, wie es ihm gehe:
"I walked the English Channel underwater. Took the Concorde to Kuala Lumpur to buy a stamp. I've rewritten 'The Fall of the Roman Empire' for my own amusement and spent way too much time on the internet. I'm bored, Duncan. Exquisitely bored."
Nun habe ich zum einen für meine Website und das Highlander-Magazin gerade Endgame innerhalb einer Woche an die drei, vier Mal angeschaut. Und zum anderen lief vorgestern eine Doku über die Petronas Towers im Fernsehen, in die ich reingezappt bin. Das hat irgendwie gefunkt. :-)

Die abgebildete Briefmarke gibt es wirklich. Normalerweise kostet eine Postkarte nur 50 malaysische sen, allerdings ist die Petronas-Briefmarke für 1 RM (malaysische Ringgit) viel hübscher als die für 50 sen. Ich denke mal, das bisschen hat Methos gerne extra ausgegeben.

Und schließlich die Petronas Twin Towers: 1996 errichtet waren die Zwillingstürme mit 452 Metern Höhe bis 2003 die höchsten Gebäude der Welt. Mittlerweile fällt diese Ehre dem Taipei 101 Wolkenkratzer in der Hauptstadt Taiwans zu. Die Regeln über das Bewerten von Antennen als Antennen (zählen für die Höhe nicht) oder Teil des Designs (dann zählen sie) sind allerdings etwas verdreht. Der Chicagoer Sears Tower hat immer noch höhere Antennen...

Bekannte Unsterbliche in dieser Geschichte:
Methos  |  Duncan MacLeod, Kyra

Dank fürs Beta-Lesen geht an:
Aisling, Clio und Cora

Geschrieben: 17. / 19. Aug 2004  |  Wörter: 2.217